Immer wieder wird von Rollstuhlfahrern die Frage an Autoumrüster herangetragen, ob es möglich ist, in ihrem Hilfsmittel sitzend Auto zu fahren. Die gute Nachricht ist: Ja, das geht. Es sind aber zwei Fälle zu unterscheiden:
- Im Rollstuhl hinter das Lenkrad fahren.
- Im Rollstuhl befördert werden.
Im Folgenden erklären wir, was die beiden Fälle unterscheidet:
1. Im Rollstuhl hinter das Lenkrad fahren
Grundsätzlich gilt: Wem das Umsetzen auf einen Fahrersitz möglich ist, sollte dies auch tun. Die werksseitig eingebauten Sitze bieten stets die höchste Sicherheit bei einem Unfall. Sie sind von den Autoherstellern in vielen und teuren Tests genau dafür optimiert worden. Vielen Menschen mit Behinderung ist das Umsetzen aus dem Rollstuhl in den Fahrersitz aber nicht möglich. In diesen Fällen ist der Rollstuhl als Fahrersitz die einzige Lösung, um individuell mobil zu sein. Diese ist gesetzlich auch möglich, jedoch gibt es dabei einige Punkte zu beachten.
Jeder Rollstuhl, der als Ersatz für den Fahrersitz verwendet wird, muss für den Einsatz im Fahrzeug getestet sein, um den hohen Fliehkräften im Falle eines Unfalls standhalten zu können. Diese Rollstühle sind gemäß den Anforderungen der ISO 7176-19 und 10542-1 sowie EWG-Richtlinien 74/408 und 76/115 getestet und erfüllen somit die strengen Sicherheitsanforderungen.
Zahlreiche Rollstühle, die den strengen Prüfanforderungen genügen
Listen geprüfter Rollstühle findet man auf den Internetseiten der entsprechenden Test-Institute beziehungsweise Hersteller. Ein führendes Unternehmen ist unter anderem die Firma Dahl, die auch sogenannte „Docking-Stations“, also Andockstationen als Rollstuhlhalterung anbietet. Dafür wird der Rollstuhl mit einem Adapter versehen, der mit dem im Fahrzeug verankerten Gegenstück fest verkoppelt wird. Eine Liste geeigneter Fahrzeuge und Rollstühle ist abrufbar unter www.dahlengineering.dk/de/produkte/dahl-docking-systeme/erfolgreich-getestete-rollstuehle-und-manuals.
Die Firma Q-Straint bietet ebenfalls eine informative und ausführliche Informationsquelle: www.qstraint.com/de/qlk-150.
Grundsätzlich gibt es nur zwei Möglichkeiten:
- Rollstühle, die eine Ausnahmegenehmigunggemäß §70 StVZO erforderlich machen
- Rollstühle, für die keine Ausnahmegenehmigungerforderlich ist
Das Angebot von Rollstühlen, für die keine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist, ist relativ begrenzt, da hier eine Prüfung der kompletten Kette „Rollstuhl/Docking-Station/Bodengruppe Kfz“ erforderlich ist.
Zur besseren Übersicht dient die folgende Darstellung:
Das Gurtschloss (Gurtpeitsche) kann sowohl am Sitz des Rollstuhls als auch an der Karosserie (Fahrzeugboden) montiert sein; je nachdem wie die Festigkeits-Prüfung absolviert wurde. In der Regel ersetzt der Sicherheitsgurt des Rollstuhles nicht den Sicherheitsgurt am Fahrzeug. Der originale Sicherheitsgurt muss vielmehr weiterhin angelegt werden.
2. Im Rollstuhl befördert werden
Auch wer mit dem Rollstuhl nicht selbst hinters Lenkrad fährt, sondern nur mitfährt, benötigt dafür einen geprüften Rollstuhl. Die Anforderungen, die der Rollstuhl dann erfüllen muss, sind in den ISO- Normen ISO 7176-19 sowie 10542-1 zu finden. ISO 10542 ist ein Sicherheitsstandard, der festlegt, wie Rollstuhl- und Personenrückhaltesysteme geprüft werden müssen.
Rollstühle, die diese Norm erfüllen, erkennt man leicht an den von den Herstellern ab Werk angebrachten Adaptern: vier fest montierte Adapter (in der Regel Ösen) für das Einhaken der Abspanngurte (jeweils zwei für vorne und hinten). Eine ausführliche Darstellung bietet der Hersteller Braunability auf seiner Internetseite: www.braunability.eu/de/produkte/rollstuhlruckhalte–und-sicherheitsgurt/wtors/.
Eine hilfreiche und ausführliche Anleitung zum sicheren Befestigen eines Rollstuhles hat auch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) veröffentlicht: Sichere Beförderung von Menschen mit Behinderungen – bgw-online
Kraftknoten
Eine Besonderheit stellt der sogenannte Kraftknoten dar. Dabei handelt es sich um eine Adapterplatte, an der Rollstuhlsicherung und Personenrückhaltesystem zusammenkommen. Die Besonderheit hierbei ist, dass durch die vorgegebene Geometrie die Kräfte sicher in den Boden abgeleitet werden sowie ein integrierter Beckengurt, in den sich ein Schulterschräggurt aus dem Fahrzeug einklicken lässt.
Eine gute Beschreibung dazu finden Sie auf der Internetseite der Firma AMF Bruns unter www.kraftknotenadapter.de.
Fazit
Ein Rollstuhl muss vielen Anforderungen im täglichen Einsatz gerecht werden, zum Beispiel bei der Arbeit, im Haus, beim Spazierengehen oder Einkaufen. Will man ihn obendrein als Sitz in einem Auto nutzen, kommen weitere Anforderungen hinzu. Damit Sie keine Einschränkungen bei der Nutzung Ihres Hilfsmittels und damit in Ihrer Lebensqualität zu befürchten haben, sollten Sie sich rechtzeitig von einem Mitglied des VFMP ausführlich beraten lassen. Nur so stellen Sie sicher, dass Sie ein tolles Rund-um-Paket bekommen und optimal mobil sind – mit und ohne Auto.